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Viel Zeit für "Mutpol": Botschafter Pascal Wehrlein.  Foto: Doris Schmid


Brackley hat 13.000 und ein paar Einwohner, der Fluss, der den Ort streift, heißt Great Ouse, dem freitäglichen Markt wird ein gewisser Charme nachgesagt. Triftige Gründe, nach South Northamptonshire zu reisen? Pascal Wehrlein hat welche seit gut einem Jahr. Die zweite Saison saß der 20-Jährige aus Worndorf (Landkreis Tuttlingen) 2014 am Steuer eines DTM Mercedes AMG C-Coupés, Achter war er im Endklassement der Tourenwagen-Serie, ein Rennen – das auf dem Lausitzring – hat er gewonnen. Im Januar bereits ließ ihn sein Arbeitgeber zweigleisig Gas geben, hat Mercedes Pascal Wehrlein zum Entwicklungsfahrer seines AMG Petronas Formula One Teams gemacht. Wirkungsstätte: Brackley, Reynard Park, das "Operations Centre" der schwäbisch-britischen PS-Allianz. In fünf Schichten suchen dort mehr als 500 Mitarbeiter rund um die Uhr nach den Zehntelsekunden, die man auf den Formel-1-Strecken dieser Welt noch finden kann, werden Boliden designt, gebaut und weiterentwickelt. Hilfreich bei all dem: der Fahrsimulator, der virtuelle F1 W05 Hybrid. Und der, der ihn bewegt: Pascal Wehrlein.

An diesem sonnigen Januartag 2015 hat Pascal Wehrlein mitgebracht, was er sonst jagt: Zeit. Gast bei "Mutpol – Diakonische Jugendhilfe Tuttlingen e. V." ist er; seit Oktober engagiert er sich als Botschafter der gemeinnützigen Organisation. Jetzt sitzen ihm die gegenüber, um die es bei diesem Engagement geht: Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen, die "Mutpol" betreut und begleitet. Fragestunde erst, Autogrammstunde dann. Berührungsängste? I wo! "Wie viel verdienst du so im Jahr?" Der kleine Fan guckt ernst, Pascal Wehrlein muss grinsen, bleibt die prompte Antwort jedoch nicht schuldig: "Für meine 20 Jahre, die ich jetzt alt bin, ist es auf jeden Fall sehr gutes Geld." Clever. Charmant. Und ehrlich. So einer taugt zum Botschafter, so einer klingt echt, als er zum Abschied sagt: "Wenn ihr einen Traum habt, ein Ziel, das euch Spaß macht, dann solltet ihr dranbleiben."

Aus dem richtigen Holz

Pascal Wehrlein ist drangeblieben. "Ich hab' mein ganzes Leben Motorsport gemacht – ja: jeden Tag eigentlich daran gedacht, dass ich eines Tages Formel 1 fahren will." Der Tag kam: 11. September 2014, Portimão, Autódromo Internacional do Algarve. 109 Runden absolvierte Pascal Wehrlein im F1 W03, dem "Silberpfeil" der Saison 2012; etwas mehr als 500 Kilometer. Damit erwarb er, netter Nebeneffekt, die Superlizenz, den Formel-1-Führerschein. Von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff gab es lobende Worte für "einen beherrschten und eindrucksvollen Test", und eindrucksvoll beherrscht klingt mit vier Monaten Abstand auch die Wehrlein'sche Rückschau: "Ich dachte, ich wär' sehr aufgeregt. Aber es war gar nicht so." Brackley ließ grüßen. Der Simulator ...

"Pascal ist aus dem richtigen Holz", befand Toto Wolff, bestätigt sah er sich exakt drei Tage später: Die erste DTM-Pole-Position seiner Karriere verwandelte Pascal Wehrlein in der Lausitz in einen Start-Ziel-Sieg. Um 15,418 Sekunden war Markenkollege Christian Vietoris als ärgster Verfolger nach 180,856 Kilometern distanziert; "gezeigt zu haben, dass ich wirklich vorneweg fahren und Rennen gewinnen kann" – für den jüngsten DTM-Piloten überhaupt war das schlicht "wichtig" nach einigen unbelohnten starken Auftritten. "Da fällt schon Druck ab. Und danach geht's auch wirklich leichter …"

Umso mehr, als Mercedes "danach" kundtat, dass Pascal Wehrlein fortan Ersatzfahrer im Formel-1-Team sei. Eine Beförderung. Luftveränderung inklusive – zum DTM-Endspurt in Zandvoort und Hockenheim, zum strengen Programm in Brackley kamen nun noch die Flüge zu den letzten sechs Weltmeisterschaftsläufen: Singapur, Japan, Russland, USA, Brasilien, Abu Dhabi. Daheim in Worndorf traf man Pascal Wehrlein seit September selten. Was zu verschmerzen war: "Ich bin halt ein Fahrer, der so viel fahren will wie möglich." Als zweitbester Mercedes-Mann schloss der Vielbeschäftigte seine Tourenwagen-Saison ab, mit dem Wissen, dass "die Steigerung groß war von 2013 auf 2014". Mehr Erfahrung + längere Vorbereitung + besseres Verstehen des Autos = 46 Punkte = Platz acht. Pascal Wehrleins DTM-Gleichung ging auf.

In der Formel 1 wird anders gerechnet – mit, vor allem, ungleich größerem Aufwand. Die Binnensicht hat Pascal Wehrlein zuerst aus Brackley, wo er im Simulator zusätzlich zu den "normalen Testtagen" an Renn-Wochenenden auch "Race Support" leistet(e). "Alles, was die Fahrer auf der Strecke fahren und ausprobiert haben – auch ihre Verbesserungsvorschläge –, versuche ich dann im Simulator auszutesten. Wir adaptieren ständig die Streckenbedingungen, das Auto wird immer aktualisiert." Temperatur, Reifenmanagement, Spritsparen, alles lässt sich durchspielen. Wenn es sein muss "bis 3 Uhr nachts. Das kann man sich, wenn man es noch nie gesehen hat, eigentlich gar nicht vorstellen." Auswertung folgt, Sonderschicht für die Boxencrew bei Bedarf auch: Virtuell Bewährtes wird in den real existierenden F1 W05 Hybrid eingebaut.

Den – und die Arbeit der WM-Dominatoren Lewis Hamilton und Nico Rosberg – hat Pascal Wehrlein dann seit Singapur live erlebt. Der Ersatzfahrer ist bei allen Meetings mit dabei, er ist via Teamfunk stetig informiert, er kann Ingenieure und Piloten bei Training, Qualifying und Rennen aus nächster Nähe beobachten. Das ist ergiebig, ist aufschlussreich. Lust auf mehr macht es auch. Mehr, das waren 533 Kilometer im 2014er-Auto drei Tage nach dem Saisonfinale. Testbestzeit fuhr Pascal Wehrlein am 26. November in Abu Dhabi. Ein Erlebnis. Weniger wegen der 1:42,624 für seine schnellste Runde, die sieht er sachlich: "Tests sind halt Tests, und da weiß man nie, was die anderen für ein Programm abspulen." Eindringlicher eingeprägt hat sich eine Eigenheit des V6-Turbomotors. Dessen Drehmoment sei "so groß, dass die Hinterreifen permanent durchdrehen bis in den vierten Gang". Und: "Der Turbo setzt halt auch plötzlich ein, die Kraft kommt auf einmal." Immerhin rund 750 PS. Eine besondere Erfahrung, auch nach mehr als 13.000 (!) Kilometern im Simulator. Auch nach 20 DTM-Einsätzen, in denen 500 PS auf Touren brachten.



Schnell(ster) in Abu Dhabi: Pascal Wehrlein bei seiner ersten Fahrt im 2014er-Formel-1-Mercedes.  Foto: Imago


Zwei Jobs, kein Problem

Leistung, Geschwindigkeit (360 in der Spitze in Monza versus 270 in der DTM), Umfeld - Formel 1 und DTM lassen sich kaum als eins sehen. "Sondern eigentlich wie zwei Jobs." Beide haben sie ihre Reize für Pascal Wehrlein; das Hin- und Her-Switchen war nie Problem. Und 2015? Noch hat Mercedes seine Planungen nicht publik gemacht, noch sind nicht alle Gespräche geführt. "Alles ist möglich", sagt Pascal Wehrlein, und dass ihm die DTM, "weil's seit Mitte des Jahres so steil bergauf ging", zuletzt "sehr viel Spaß gemacht" habe. "Ich mag die DTM sehr." Andererseits: "Ich will so schnell wie möglich in die Formel 1 kommen." Persönliche Wunschvorstellung, klingt da dezent durch, bliebe vorerst wohl der Spagat Tourenwagen-Stammkraft/Formel-1-Ersatzfahrer. Dass Mercedes künftig Williams, Force India und Lotus mit Triebwerken beliefert, könnte speziell für Einsätze im freien Freitagstraining Möglichkeiten eröffnen. "Aber ein Team, das nichts mit Mercedes zu tun hat, ist keine Option."

Ob das Formel-1-Debüt eine werden könnte? "Ich bin Ersatzfahrer, und wenn irgendwas nicht läuft oder sehr schiefläuft, bin ich zur Stelle. Ich bin vorbereitet, könnte auch am Wochenende einsteigen und fahren. Es wäre kein Problem."

Pascal Wehrleins Ziel jedoch ist es, "in naher Zukunft 'ne ganze Saison zu fahren. Als Stammfahrer." Bei "Mutpol" wurde es vernommen, diese Woche in Tuttlingen. Die Autogrammkarten reichten gerade so.


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