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TUTTLINGEN – Am Dienstag kommt endlich das richtige Rot. Das erste war zu hell, das zweite zu dunkel. Ob das dritte dem prüfenden Blick des Künstlers standhält? "Oui!", sagt Georges Rousse und verteilt die Pinsel. Minuten später sind einige Stellen der Wand in der Gepäckhalle des Bahnhofs rot.

Der Künstler Georges Rousse (Zweiter von rechts) umgeben von seinen Gehilfen: Farid, Ayad, Mohammad und Gashim (von links) haben beim Projekt mitgeholfen.  Foto: Dorothea Hecht

"Sie sind keine Kunststudenten, aber ich glaube, ich konnte sie mit Kunst vertraut machen"
Künstler Georges Rousse

Was derzeit im Tuttlinger Bahnhof entsteht, ist ein Kunstprojekt, das seinesgleichen sucht. Der französische Künstler Georges Rousse ist international bekannt, verkauft seine Drucke und Fotografien auch mal für 50.000 Euro. Die Gepäckhalle, die Galerieleiterin Anna-Maria Ehrmann-Schindlbeck ihm für das Werk anbot, sagte ihm zu. Seit vergangener Woche ist er deshalb dort zugange – und mit ihm um die zehn Jugendlichen, die bei der Diakonischen Jugendhilfe Mutpol betreut werden, auch minderjährige Flüchtlinge.

Was Rousse im Bahnhof plant, ist der dreidimensionalen Gepäckhalle eine Dimension zu klauen: ihre Tiefe, die Räumlichkeit. Dafür haben er und seine Tochter Julie, die ihn unterstützt, die Helfer zunächst Zeitungspapier bemalen lassen: Alle Fotos auf den Zeitungsseiten wurden geschwärzt, dann wie eine Tapete an die Wand gekleistert. Eine Ecke, zwei Wände und die Decke sind inzwischen so tapeziert, der Boden soll noch folgen. Ergänzt wird das ganze mit roter und schwarzer Farbe.

Aus einem bestimmten Winkel betrachtet, verschmelzen die drei Dimensionen der Ecke dann zu zweien. Können Sie sich nicht richtig vorstellen? Keine Sorge: 2017 gibt es das Werk dann, als Fotografie verewigt, in einer Rousse-Ausstellung in der Tuttlinger Galerie zu sehen. Wer jetzt schon neugierig ist, kann auch im Bahnhof vorbeischauen.

Jugendliche sind Teil des Projekts

Der künstlerische Aspekt ist allerdings nur ein Teil des Projekts. Ziel von Rousse war es auch, mit Jugendlichen zusammenzuarbeiten. "Es funktioniert gut", meint er am Dienstag. "Sie sind keine Kunststudenten, aber ich glaube, ich konnte sie mit der Kunst vertraut machen."

So richtig ist es den jugendlichen Helfern wohl selbst noch nicht bewusst, woran sie da mitgewirkt haben. "Ja, es hat Spaß gemacht", soviel kann der 15-jährige Mohammad Hamdan zumindest sagen. Seine Betreuerin Petra Bäßler ist da überschwänglicher: "Er hat soviel tapeziert wie kein anderer", lobt sie, "er war von Anfang bis zum Ende dabei und hat sogar die schwierigen Ecken gemacht."

Bäßler hat beobachtet, wie die Jugendlichen bei der Arbeit zur Ruhe kamen. "Es war eine tolle Atmosphäre", sagt sie. Auch Ayad Koshnaw, Gashim Hussein und Farid gehören zum harten Kern der Helfer. Teils während, teils nach der Schule, haben sie in der Gepäckhalle geholfen. Und nicht nur sie: "Am Wochenende kamen noch Familien dazu und haben uns geholfen, die Zeitungsseiten zu schwärzen", erzählt Ehrmann-Schindlbeck.

Nur die Sprachbarriere

Auch wenn die Arbeit mal knifflig war (Wie zieht man mit einem Pinsel eine möglichst gerade Linie?) sind alle Beteiligten mit dem Verlauf zufrieden. "Nur die Sprachbarriere war manchmal ein Problem", sagt Jeremias Heppeler, der als Betreuer dabei ist und das Projekt dokumentiert.

Das war etwa so: "Rousse hat mit seiner Tochter auf Französisch gesprochen, sie mit mir auf Englisch, ich wiederum mit den Jungs auf Deutsch, und die haben es unter sich dann auf Syrisch oder Persisch ausdiskutiert – und rückwärts lief es genauso." Hände und Füße seien zur Kommunikation nötig gewesen, "aber irgendwie hat es dann schon gekappt", meint Heppeler.

Auch wenn das Projekt am 18. Juni abgeschlossen ist – das Werk wird bleiben. Mit einem kleinen Schönheitsfehler aber: Die Tür zur Halle, die im Moment zutapeziert ist, muss wohl wieder geöffnet werden.


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