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Wenn die Eltern mit sich selbst kämpfen

Förderung | Schule des Lebens bietet verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen Halt in schwierigen Zeiten

Wenn Kinder aufgrund ihrer individuellen sozialen und emotionalen Bedürfnisse in einer Regelschule nicht am richtigen Platz sind, dann ist die Schule des Lebens eine Alternative – im Landkreis Rottweil gibt es aber beunruhigende Veränderungen.


Von Benjamin Roth

KREIS ROTTWEIL – Wie Ernestine Fröhlich und Elvira Papesch von „Mutpol – Diakonische Jugendhilfe Tuttlingen“ unserer Redaktion berichten, haben die jüngsten Krisen – Stichwort Coronavirus-Pandemie und Energiekrise – dafür gesorgt, dass viele Eltern aufgrund von Geldsorgen mit sich selbst zu kämpfen haben. Sei es der verlorene Job oder Spannungen mit dem Partner: „Verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche werden trotz massiver Selbst- und Fremdgefährdung, starker Impulsausbrüche und Stimmungsschwankungen, wie auch depressiver Verhaltenszüge keiner ärztlichen Diagnostik unterzogen“, ist Fröhlich besorgt.

Fehlende Aufmerksamkeit

Die Gründe: Ängste vor einer möglichen Medikation, einer Therapie, die lange Wartezeiten mit sich bringen könnte, oder schlicht und einfach die fehlende Aufmerksamkeit der Sorgeberechtigten in dieser krisengeplagten Zeit.

Dabei gebe es hilfreiche Alternativen: die Schule des Lebens, die, in Kooperation mit dem Jugendamt und dem Staatlichen Schulamt Donaueschingen, besucht werden kann. Im Kreis Rottweil gibt es drei Standorte in Oberndorf, Schramberg und Rottweil. Dort werden momentan 32 Kinder in sonderpädagogischer Betreuung ganztägig – von 8 bis 16 Uhr – betreut, beschult und gefördert.

Fröhlich: „Lehrer und Sozialpädagogen arbeiten in einem Team. Die Ganztagesbetreuung ermöglicht eine individuelle Gestaltung der Lernsituationen, zugeschnitten auf die Erfordernisse der Kinder.“

Schulleiterin Elvira Papesch ergänzt: „Mit gezielter Elternarbeit soll das Elternhaus in den Entwicklungsprozess der Kinder miteinbezogen werden.“ Da gebe es aber zweierlei Erfahrungen. „Viele Eltern sind froh und dankbar über unsere Arbeit, andere Parteien sagen einen Termin nach dem anderen ab und zeigen keine Gesprächsbereitschaft.“

Welche Ziele werden angestrebt? Die Schüler sollen wieder eine öffentliche Regelschule besuchen können. Denn: Die Schule des Lebens ist eine staatlich anerkannte Ersatzschule mit den Bildungsgängen der Grund-, Werkreal- und Förderschule. In Oberndorf werden bereits Erstklässler betreut – in Schramberg und Rottweil bietet die Einrichtung ab der dritten Klasse Unterstützung an.

Auch möglich: Der Werkreal- oder Förderabschluss an der Schule des Lebens. Das System ist klar: Über den Tag hinweg steht nicht nur der Lernstoff im Vordergrund. Es wird mit den Schülern gekocht, gebacken und im Freien getobt. „Wir spüren, dass der Bewegungsdrang nach der Pandemie groß ist“, weiß Fröhlich, die den Bereich Tagesgruppen leitet. Trotzdem wird nach den gültigen Schulplänen des Landes Baden-Württemberg gelehrt.

Kapazität ist erschöpft

Oberste Priorität habe aber die individuelle Betreuung der Schüler: „Momentan ist der Gesprächsbedarf riesig.“ Am Ende jedes Tages komme man zu einem Gesprächskreis zusammen und jeder Schüler berichtet über sein Befinden. Die Folge: „Die Veränderung im Bedarf der Kinder und Jugendlichen an allen Außenstellen erfordert qualifizierte Teams, individuelle Krisenpläne und differenzierte Konzepte im Alltag.“ Und die Belastung steige.

Der Erfolg gibt den Verantwortlichen aber recht: „Die Rückführungsquote ist besonders bei den Erstklässlern gut“, berichtet Fröhlich. Und die Nachfrage nach Betreuungsplätzen steigt: „Wir müssen aus Kapazitätsgründen Schüler ablehnen.“ Und auch immer mehr Jugendlichen, die den Abschluss an der Schule des Lebens gemacht haben, zeigt sich eine berufliche Perspektive auf. „Wenn wir die Brücke von der Schule zu Ausbildungsbetrieben schlagen können, dann ist das ein Erfolg für unser Modell.“


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